Zum 1. Mai hat der DGB (Region Leipzig-Nordsachsen) zu einem Demozug mit anschließender Kundgebung auf dem Leipzig Marktplatz aufgerufen.
Der Zug bewegte sich unter anderem entlang der Harkortstraße:

Betrachtet man dieses Bild und zählt es direkt aus, so ergibt sich eine Zahl von 259 Personen. Die Auswertung eines Videos, welches an selber Stelle und zur gleichen Zeit erstellt wurde, ergibt eine Zahl von genau 350 Personen.
Diese Diskrepanz überrascht aber wenig, da das Panoramabild aus zu weiter Entfernung bzw. einem entsprechend niedrigen Aufsichtswinkel aufgenommen wurde (zum Vergleich dazu das Panoramabild in unserem Artikel zu den Demozahlen der 11. Legida, welches einen für die Auswertung wesentlich günstigeren Winkel aufweist).
Nach Abschluss der Erstellung von Bild- und Videomaterial, lief ein Zähler hinter dem Demonstrationszug her und begann die Teilnehmer direkt mittels eines Klickers zu zählen. Da sich der Zug verhältnismäßig langsam bewegte, konnte der Zähler somit sein Schritttempo beliebig anpassen und sich langsam nach vorne „durchklickern“. Diese „Mitlauf“-Methode lieferte die Zahl von 323, welche sich mit der im Video ermittelten Anzahl deckt.
Damit zeigt sich, dass direktes Zählen durch Mitlaufen durchaus eine Methode der unmittelbaren Schätzung der Teilnehmerzahlen sein kann, während sich das direkte Zählen eines Demozuges an einem stationären Punkt als durchaus stark fehlerbehaftet erweisen kann. Siehe die Kritik dieser Methode in unserem Artikel zu den Demozahlen der 11. Legida.
Da sich dem Demozug im weiteren Verlauf entlang der Demoroute vereinzelt kleinere Gruppen anschlossen, lässt sich aufgrund der ermittelten Einzelschätzungen sicher sagen:
Es nahmen zwischen 350 bis 400 Personen am Demozug teil.
Der Demozug endete abschließend auf dem Marktplatz in einer Kundgebung, wo verschiedene Organisationen ihre Infostände aufgebaut hatten und von einer Bühne herab mehrere Reden gehalten wurden:

Ein Auszählen dieses Bildes liefert eine Anzahl von 538 Personen. Viele Personen konnten leider nicht erfasst werden, da sie durch die vielen Pavillons oder andere Sichthindernisse verdeckt waren. Es lässt sich deshalb nur sehr vage abschätzen, dass zu diesem Zeitpunkt eine Zahl von 500 bis 1000 Personen anwesend war.
Auch hier ist wieder der zu niedrige Aufsichtswinkel des Fotos als hauptsächliches Problem zu benennen. Da aufgrund des Feiertags keines der anderen umliegenden Häuser betreten werden konnte, wurde das Foto vom unteren Balkon des alten Rathauses aufgenommen. Dieser Balkon liegt nur wenige Meter über dem Straßenniveau. Die nahliegende Lösung einer Aufnahme von der Spitze des Rathausturm war nicht realisierbar, da zur Zeit für die Öffentlichkeit nicht die erforderliche Gebäudesicherheit des Turm gewährleistet ist. Eine Renovierung ist geplant, aber noch nicht terminiert.
Schlussfolgerung:
Es immer empfehlenswert, ein Foto mit möglichst großem Aufsichtswinkel zu besorgen. Jedes Grad mehr hilft.
In diesem Zusammenhang sei auch der häufig genannte Verbesserungsvorschlag erwähnt, welcher lautet eine Kamera-Drohne einzusetzen. Diese Möglichkeit wäre rein technisch betrachtet eine optimale Lösung, aber zu recht sprechen verschiedene Sicherheitsbedenken dagegen. Siehe dazu insbesondere diesen sehr lesenswerten Krautreporter-Artikel zum Thema Teilnehmerzählung mittels Drohnen.
Abschließend die offensichtliche Frage „Wie viele waren denn nun bei der Kundgebung?“
Aufgrund des vorliegenden Materials lautet die einfache Antwort:
Wenigstens 538.
Es ist aber aufgrund des oben genannten Problems klar, dass mehr Personen anwesend waren. Auch lief die Veranstaltung über mehrere Stunden, sodass man entsprechende Ab- und Zuflüsse hätte erfassen müssen. Dagegen spricht wiederum das zu allen Seiten offene Gelände, welches einen hohen Personalaufwand bei einer solchen Zählung mit sich bringen würde. Auch wäre es schwierig Personen zu erfassen, welche mehrmalig den Veranstaltungsort betreten und wieder verlassen.
Eine mögliche Idee, wie man aber dieses Problem der Teilnehmerzählung einer offenen und über einen längeren Zeitraum fluktuierenden Kundgebung in den Griff bekommt, wäre evtl. die Erfassung von bestimmten (Meta-)Daten wie der Anzahl an verkauften Bratwürsten, Bieren und Backwaren. Dies würde aber wiederum verlässliche und überprüfte Referenzwerte wie z.B. „Es werden im Schnitt 217 Bratwürste pro 1000 Personen verkauft“ voraussetzen. Würden dann z.B. 519 Bratwürste verkauft, so käme man per Hochrechnung auf geschätzte 2392 Teilnehmer.
Nachtrag 2. Mai:
Einer aktuellen Mitteilung der LVZ lässt sich entnehmen, dass die Veranstalter von 2000 Teilnehmer beim Demozug ausgehen. Stimmt diese Aussage, so zeigt sich, wie weit die tatsächlichen Zahlen von Veranstalterangaben abweichen können. Dies ist aber kein neues Phänomen und impliziert die Notwendigkeit unabhängiger und überprüfbarer Zahlen vor allem dann, wenn ein allgemeines Interesse der Öffentlichkeit an faktischen Zahlen besteht.
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